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Abb. 1 + Abb. 2: Querschnitt durch Bruch

Verbrennungsstörungen 1/3

KS | Kolbenschmidt | Motorservice
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Informationen zur Diagnose

Der Kolbenkopf ist komplett abgetragen? Der Ringsteg ist zwischen dem ersten und zweiten Verdichtungsring gebrochen? Ein Kolbenfresser oder Überhitzungserscheinungen sind aber nicht zu sehen. Woher kommen die Anschlagspuren am Kolbenkopf? Die Ölkohle ist fast ganz weg. Die Kolbenringe sind verschlissen. Welche Ursachen haben diese Schäden? Die wahrscheinlichsten Gründe finden Sie in diesem Beitrag.

Kolbenboden- und Muldenrisse (Dieselmotor)

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  • Spannungsrisse am Muldenrand.
  • Hauptriss bis zur Kolbenbolzennabe.
  • Eingebrannter Kanal von der Mulde bis unterhalb des Ölabstreifrings, verursacht durch Verbrennungsgase die den Hauptriss durchströmen.
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Abb. 1
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Abb. 2

Beurteilung

Das Kolbenmaterial heizt sich örtlich stark auf – bei Vorkammermotoren an den Auftreffstellen der Vorkammerstrahlen (Abb. 3 und Abb. 4), bei Direkteinspritzmotoren am Muldenrand (Abb. 1). An diesen Stellen dehnt sich das Material stärker aus. Da die überhitzten Stellen von kühlerem Material umgeben sind, verformt sich das Material hier plastisch über die Elastizitätsgrenze hinaus. Beim Abkühlen passiert das Gegenteil: An den Stellen, an denen das Material zuvor gestaucht und weggedrückt wurde, ist nun zu wenig Material vorhanden.

Dadurch entstehen Zugspannungen, die zu Spannungsrissen führen. Wenn die thermisch bedingten Spannungen durch Spannungen von einer Bolzendurchbiegung überlagert werden, bildet sich aus den Spannungsrissen ein stark erweiterter Hauptriss. Dieser führt zum Bruch und Ausfall des Kolbens.Die Massenkraft und Erosion der schnell vorbeistreichenden Verbrennungsgase reißen einzelne Partikel aus der Oberfläche (Abb. 2) oder tragen den Kolbenkopf komplett ab (Abb. 1).

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Abb. 3
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Abb. 4

Mögliche Ursachen

  • Fehler in der Gemischaufbereitung durch falsche Einspritzdüsen, Störungen in der Einspritzpumpe und Schäden an der Vorkammer.
  • Hohe Temperaturen durch Defekte im Kühlsystem.
  • Fehler an der Motorbremse oder deren exzessiver Gebrauch. Folge: Überhitzung.
  • Mangelnde Kolbenkühlung bei Kolben mit Kühlkanal, z. B. durch verstopfte oder verbogene Kühlöldüsen.
  • Temperaturschwankungen bei Motoren mit häufig wechselnder Belastung, z. B. bei Stadtomnibussen oder Erdbewegungsmaschinen.
  • Kolben falscher Spezifikation, z. B. ohne Kühlkanal, obwohl ein Kühlkanalkolben verwendet werden muss.
  • Kolben von Fremdherstellern ohne Faserverstärkung am Muldenrand.
  • Kolben mit einer für den Motor unpassenden Muldenausformung (siehe Kapitel „Kolbenkopffresser durch falsche Kolben“).

Ringstegbrüche

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  • Ringstegbruch auf einer Kolbenseite zwischen dem ersten und zweiten Verdichtungsring (Abb. 1).
  • Bruch, ausgehend vom oberen Nutgrund schräg ins Kolbenmaterial. Austritt im darunter liegendem Nutgrund (Abb. 2).
  • Bruch verbreitert sich nach unten.
  • Keine Kolbenfresser oder Überhitzungserscheinungen.

Beurteilung

Ursache für Stegbrüche sind keine Materialfehler, sondern Materialüberlastungen. Sie unterscheiden sich nach drei Ursachen:

1. Klopfende Verbrennung:
Die Oktanzahl des Kraftstoffs reichte nicht für alle Betriebs und Belastungszustände des Motors (siehe Kapitel „Allgemeines über Kolbenschäden durch Verbrennungsstörungen an Ottomotoren“). Ringstegbrüche durch klopfende Verbrennung treten meistens auf der Druckseite auf. Ursache einer klopfenden Verbrennung beim Dieselmotor ist ein Zündverzug.

2. Flüssigkeitsschläge: 
Bei stehendem oder laufendem Motor gelangt Flüssigkeit (Wasser, Kühlmittel, Öl oder Kraftstoff) unbeabsichtigt in den Verbrennungsraum. Da sich Flüssigkeiten nicht komprimieren lassen, werden Kolben und Kurbeltrieb im Verdichtungstakt enorm belastet. Folge: Ringstegbrüche, Nabenbrüche oder Pleuel- und Kurbelwellenschäden. Abb. 3 zeigt einen Bruchverlauf bei klopfender Verbrennung und bei Flüssigkeitsschlägen: Die Kraft, die den Bruch verursacht und von oben auf den Ringsteg einwirkt, erweitert die Bruchflächen nach unten.

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Abb. 1 + Abb. 2: Querschnitt durch Bruch
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Abb. 3

3. Einbaufehler:
Nicht richtig zusammengespannte Kolbenringe erfordern bei der Montage der Kolben einen höheren Kraftaufwand. Durch das gewaltsame Einpressen oder Einklopfen des Kolbens werden die Ringstege durch feine Haarrisse vorgeschädigt. Die Ringstege brechen in umgekehrter Richtung, weil der Druck in diesem Fall von unten kommt (Abb. 4).

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Abb. 4

Mögliche Ursachen

Klopfende Verbrennung bei Ottomotoren:

  • Unzureichend klopffester Kraftstoff. Die Kraftstoffqualität muss dem Verdichtungsverhältnis des Motors entsprechen, d. h. die Oktanzahl des Kraftstoffs muss den Oktanbedarf des Motors in allen Betriebszuständen abdecken.
  • Dieselkraftstoff im Benzin und dadurch eine Herabsetzung der Oktanzahl des Kraftstoffs.
  • Zu hohes Verdichtungsverhältnis durch übermäßiges Abschleifen der Motorblock- und Zylinderkopfplanfläche z. B. bei Motorüberholung/Tuning.
  • Zu früher Zündzeitpunkt.
  • Zu mageres Gemisch und dadurch erhöhte Verbrennungstemperaturen.
  • Zu hohe Ansauglufttemperaturen durch z. B. ungenügende Motorraumbelüftung oder falsches Umschalten der Ansaugluftklappe auf Sommerbetrieb (speziell bei älteren Vergasermotoren).

Klopfende Verbrennung bei Dieselmotoren:

  • Schlecht zerstäubende oder undichte Einspritzdüsen.
  • Zu niedriger Abspritzdruck der Einspritzdüsen.
  • Zu niedriger Verdichtungsdruck durch falsche Zylinderkopfdichtungen, zu geringe Kolbenüberstände, undichte Ventile oder schadhafte bzw. verschlissene Kolben.
  • Defekte Zylinderkopfdichtungen.
  • Beschädigungen an der Vorkammer.
  • Unsachgemäßer oder übermäßiger Einsatz von Anlasshilfen (Starthilfespray) beim Kaltstart.
  • Defekter Turbolader.

Bei Flüssigkeitsschlägen:

  • Unbeabsichtigtes Ansaugen von Wasser beim Durchfahren von Gewässern oder durch Hochspritzen größerer Wassermengen voraus- oder vorbeifahrender Fahrzeuge.
  • Volllaufen des Zylinders bei stehendem Motor mit:
    • Wasser, durch undichte Zylinderkopfdichtung oder Risse in Bauteilen.
    • Kraftstoff, durch undichte Einspritzdüsen (nur Ottomotor mit Einspritzsystem). Der Restdruck im Einspritzsystem entleert sich durch die undichte Düse in den Zylinder.

Der Schaden entsteht in beiden Fällen beim Starten.

Anschlagspuren am Kolbenkopf (Dieselmotor)

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  • Starke Anschlagspuren am Kolbenkopf (Abb. 1).
  • Ölkohle nahezu entfernt.
  • Narben und eingedrückte Ölkohleablagerungen am Kolbenboden.
  • Starker Verschleiß an Kolbenringen, insbesondere am Ölabstreifring.
  • Abdruck der Wirbelkammer an der vorderen Kante des Kolbenbodens (Abb. 2).
  • Ventilabdruck auf der rechten Bodenseite.
  • Erste Anzeichen eines beginnenden Trockenlaufreibers am Kolbenschaft (Abb. 4).
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Abb. 1
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Abb. 3
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Abb. 2
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Abb. 4

Beurteilung

Die Kolben haben im Betrieb am Zylinderkopf bzw. an der Wirbelkammer und einem Ventil angeschlagen. Brüche sind infolge dieser Gewalteinwirkung noch nicht aufgetreten. Am Verschleißbild der Kolbenringe und des Kolbenschafts ist jedoch zu sehen, dass es in Folge dieser Anschläge zu Verbrennungsstörungen durch Kraftstoffüberschwemmung gekommen ist.

Durch das Anschlagen des Kolbens kommt es zu Erschütterungen am Zylinderkopf. Die Einspritzdüse wird dadurch in Schwingungen versetzt, kann im geschlossenen Zustand den Druck nicht mehr halten und spritzt unkontrolliert Kraftstoff in den Zylinder ab. Die Folge ist eine Kraftstoffüberschwemmung, die den Ölfilm schädigt. Diese Schädigung führt zu einem höheren Mischreibungsanteil und damit zu Verschleiß an den Kolbenringen sowie zu einem erhöhten Ölverbrauch. Erst wenn der Ölfilm durch den Kraftstoff so stark beeinträchtigt wird, dass eine Mangelschmierung entsteht, bilden sich die charakteristischen Kraftstoffreiber (siehe Kapitel „Trockenlaufreiber durch Kraftstoffüberschwemmung“).

Der Kolbenschaft wird anfangs weniger geschädigt, weil er vom Kurbeltrieb her regelmäßig mit neuem, noch schmierfähigem Öl versorgt wird. Wenn sich die Abriebteile aus dem Hubbereich der Kolben mit dem Schmieröl vermischen und das ölverdünnte Schmieröl an Tragfähigkeit verliert, breitet sich der Verschleiß weiter aus.

Mögliche Ursachen

  • Falsches Kolbenüberstandsmaß. Der Kolbenüberstand wurde bei einer Motorenüberholung nicht kontrolliert bzw. nicht korrigiert.
  • Bei der Erneuerung außermittig gebohrte Pleuelbuchse.
  • Exzentrisches (außermittiges) Nachschleifen der Kurbelwelle.
  • Außermittiges Nacharbeiten der Lagergrundbohrung (beim Nachsetzen der Lagerdeckel der Kurbelwelle).
  • Einbau von Zylinderkopfdichtungen mit zu geringer Dicke.
  • Ölkohleablagerung am Kolbenkopf und dadurch eine Einengung oder Überbrückung des Spaltmaßes.
  • Falsche Steuerzeiten durch falsche Einstellung, Kettenlängung, übersprungene Zahnriemen.
  • Längenabweichung der Pleuelstange.
  • Exzessive Nachbearbeitung der Zylinderkopfplanfläche und hierdurch eine Steuerzeitenverschiebung. (Der Abstand zwischen antreibendem und getriebenem Rad verändert sich; dies lässt sich ggf. durch die bauartbedingte Riemen- oder Ketteneinstellung nicht korrigieren).
  • Beim Erneuern der Ventilsitzringe wurde nicht auf die richtige Lage der Ventilsitze geachtet. Wenn die Ventilsitzfläche nicht tief genug im Zylinderkopf platziert wird, haben die Ventile nicht den richtigen Rückstand im Zylinderkopf und stehen zu weit über.
  • Überdrehen des Motors. Die Ventile schließen aufgrund der erhöhten Massenkraft nicht rechtzeitig und schlagen am Kolben an.
  • Zu großes Spiel in der Pleuellagerung oder ein verschlissenes Pleuellager, insbesondere in Verbindung mit starken Übertouren beim Bergabfahren.

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